Aufgespürt: Königlicher Beninkopf aus jüdischer Kunstsammlung

Provenienzrecherche und gütliche Einigung bis kurz vor Katalog-Drucklegung

Benin, Nigeria, Benin Kingdom, Rudolf Mosse, Berlin, Restitution
Bronzener Gedenkkopf, Königreich Benin, 19. Jh

Noch bis vor kurzem endete die Sammlungsgeschichte des Königlichen Benin-Kopfes mit dem Beginn des 20.Jahrhunderts. Doch weitergehende Provenienz-Recherchen Zemanek-Münster's brachten es zu Tage: Der Benin-Kopf aus dem Nachlass Bassenge ist ein Werk des 19. Jahrhunderts und gehörte einst zur Kunstsammlung Rudolf Mosse, dessen Nachlass 1934 in Berlin zwangsversteigert wurde. Restitutionsverhandlungen und gütliche Einigung kurz vor Drucklegung des Auktionskatalogs.

Am Ende war der Beweis erbracht: Der königliche Benin-Kopf aus der Berliner Sammlung Bassenge (Los 252), der am 10. März in Würzburg versteigert wird, kann eindeutig der Kunstsammlung Rudolf Mosse (1843-1920) zugeschrieben werden, dessen Nachlass 1934 zwangsversteigert wurde.

Zu diesem Ergebnis kommt das Kunstauktionshaus Zemanek-Münster aus Würzburg nach intensiven Provenienz-Recherchen der letzten Wochen und mit Hilfe der Foto-Datenbank »Benin-Objekte in Europa«, die seit 2014 von Audrey Peraldi und Andreas Schlothauer aufgebaut und vom Research Centre for Material Culture gGmbH, Berlin, finanziert wird. Die von Dr. David Zemanek zusätzlich in Auftrage gegebene Thermolumineszenz Analyse untermauert Echtheit und Alter dieses Glanzstückes höfischer Kunst aus Benin (Thermolumineszenz-Expertise No. 01 R090218, 11 Februar 2018, Ralf Kotalla, Haigerloch, Deutschland, Alter 175 Jahre +/- 20-35 %).

Demnach gehörte dieser Gedenkkopf mit neun weiteren Benin Bronze-Reliefplatten und dem Gedenkkopf eines Oba zu jenem Vermögen, welches die von den Nationalsozialisten eingesetzte „Rudolf Mosse-Treuhandverwaltung“ am 29. und 30. Mai 1934 über das Auktionshaus Rudolph Lepke‘s in Berlin versteigern ließ.

Die von Zemanek-Münster eingeleiteten Verfahrensschritte, Restitutionsverhandlungen und eine am Ende gütliche Einigung mit den Erben machen es nun möglich, dieses Werk am 10. März in Würzburg zu versteigern: ein Kunstwerk der Hochkultur Benins, deren künstlerische Meisterschaft schon Felix von Luschan (1854-1924), Wissenschaftler, Benin-Forscher und Forschungsreisender, nicht scheute mit der italienischen Renaissance zu vergleichen.

 

Rudolf Mosse Gerda Bassenge

Rudolf Mosse (1843-1920)
Photo: Leo Baeck Institute, New York City

 

 

Gerda Bassenge (1915-1995)
Berliner Galeristin und engste Mitarbeiterin von Gerd Rosen, einem der ersten Tribal Art Galeristen im Nachkriegs-Deutschland, erwarb dieses Werk 1966, das bis heute in Familienbesitz blieb.
Photo: Privatarchiv

 

Provenienz:
Rudolf Mosse (1843-1920), Berlin
Hans Lachmann-Mosse, Berlin / Oakland, USA
Rudolph Lepke's Kunst-Auctions-Haus, Berlin, 29 May 1934, Kat.Nr.178
H. Benninghaus, Oberhausen
Galerie Bassenge, Berlin, 3 - 7 May 1966, lot 2248
Gerda Bassenge, Berlin
Familienbesitz Bassenge, Berlin

Expertise:
Thermoluminescence Expertise No. 01 R090218, 11 Februar 2018, Ralf Kotalla, Haigerloch, (175 Jahre +/- 20-35 %)

 

Rudolf Mosse (1843-1920), als Sohn jüdischer Eltern geboren, baute mit gutem Gespür und großem Fleiß ein Zeitungsimperium auf, zu dessen wirtschaftlich erfolgreichsten Publikationen das Berliner Tagblatt gehörte. Bereits 1882 war er so wohlhabend, dass er in der Mitte Berlins, am Leipziger Platz 15, ein Stadtpalais errichten ließ, das den geeigneten Rahmen für den Aufbau seiner repräsentativen Kunstsammlung bildete. Seine Kollektion enthielt zeitgenössische deutsche Malerei (Adolf Menzel, Lovis Corinth, Carl Spitzweg, Wilhelm Leibl, Arnold Böcklin) aber auch Gemälde alter Meister, ägyptische Altertümer und Benin-Bronzen. Neben dem hier angebotenen Gedenkkopf einer Königin-Mutter "uhunmwun eloo", sind neun Bronze-Reliefplatten, sowie der Gedenkkopf eines Oba dokumentiert.

R. Mosse war einer der ersten Kunstsammler, der mit dem Kunstkritiker Fritz Stahl (1864-1928) zumindest zeitweise einen Berater bei seinen Käufen in Anspruch nahm. Auch mit Felix von Luschan und Hans Meyer soll Mosse gut bekannt gewesen sein. War Stahl der Berater bei Gemälden, könnten sie ihm beim Kauf afrikanischer Kunstobjekte zur Seite gestanden haben. Luschan (1854-1924) war von 1905 bis 1910 Direktor des Museums für Völkerkunde Berlin. Hans Meyer (1858-1929) trug selbst eine bedeutende Sammlung von 53 Benin-Objekten zusammen, die zwischen 1900 und 1919 an das Museum für Völkerkunde zu Leipzig ging und heute zu den größten Kostbarkeiten des Hauses gehört.

Mit dem Ersten Weltkrieg scheint R. Mosse seine Sammlertätigkeit abgeschlossen zu haben. Er verstarb am 8. September 1920. Sein Schwiegersohn, Hans Lachmann-Mosse, der nach seinem Tode die Führung des Mosse-Konzerns übernahm, war auf künstlerischem Gebiet eher an Musik und Architektur interessiert. Er scheint der Sammlung keine neuen Stücke hinzugefügt zu haben, erhielt die Sammlung seines Schwiegervaters jedoch in der bestehenden Form und hielt sie in hohen Ehren.
Bereits während der Hyperinflation 1922/23 ging ein Teil des Firmenvermögens verloren. Ab 1926 geriet der Verlag in ernsthafte finanzielle Schwierigkeiten und mußte im Herbst 1932 Konkurs anmelden.

Kurz nach der Machtübernahme Hitlers am 30. Januar 1933 zerschlugen die Nationalsozialisten das angeschlagene Firmenimperium. Hans Lachmann-Mosse mußte im April 1933 nach Frankreich emigrieren und von dort aus zusehen, wie die von den Nationalsozialisten eingesetzte „Rudolf Mosse-Treuhandverwaltung“ die Kunstsammlung seines Schwiegervaters am 29. und 30. Mai 1934 über das Auktionshaus Rudolph Lepke‘s in Berlin versteigern ließ.

 

 

 

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Ex: Lepke's Kunst-Auctions-Haus, Berlin 1934 
(Photos: Kunstbibliothek Staatliche Museen zu Berlin)

 

Auktion in Würzburg:
Samstag, 10. März 2018 ab 14 Uhr 


Vorbesichtigung in Würzburg:
Mi 7. bis Fr 9. März von 10 bis 19 Uhr 
Sa 10. März  von 9 bis 14 Uhr  

 

Zum Pressespiegel:
Kunst und Auktionen 03/2018